Der Kapitalismus sägt an dem Ast, auf dem er sitzt
von Uta Köstler
Lassen wir uns einmal auf folgendes, das Prinzip des Kapitalismus verdeutlichende Bild ein. Weltkonzern A und Weltkonzern B produzieren alle benötigten Produkte, einschließlich Dienstleistungen, und die Arbeitslosigkeit ist nahe Null, also beste Zeit des Wirtschaftswunders. Es gibt gute Löhne, mit denen die Menschen die Produkte kaufen, Sozialabgaben, mit denen das Gesundheitswesen bezahlt wird und Menschen über Transfereinkommen Kaufkraft erhalten. Steuern lassen die Staaten zu guten Kunden werden.
Nun sind die Manager des Weltkonzerns A aber etwas pfiffiger und rationalisieren kräftig. Sie entlassen Leute und verbilligen damit ihre Produkte und erhöhen gleichzeitig die Produktion. Auf dem Markt verkaufen sie nun ihre Produkte besser als der Konzern B. Die weinigen Beschäftigten des Konzerns A und die vielen des Konzerns B zahlen für die Arbeitslosen die Sozialabgaben mit. Konzern B gerät in ernste Schwierigkeiten, da er seine teuren Produkte nicht mehr verkaufen kann. Er muss bei Strafe seines Unterganges ebenso rationalisieren wie Konzern A, das heißt auch er entlässt viele Leute. Die verbleibenden Beitragszahler können das Gesundheitswesen und die Transferleistungen für die vielen Arbeitslosen nicht mehr finanzieren. Die Kaufkraft sinkt. Die Produkte werden zu Ladenhütern, Lebensmittel werden vernichtet. Die Arbeitslosen und Alten in den westlichen Ländern haben noch Glück, dass sie überhaupt etwas bekommen. In den armen Ländern müssen sie hungern, trotz des Überflusses. Die Staaten kämpfen um Standortvorteile durch Steuersenkungen. Das schränkt ihre Fähigkeit zur Auftragsvergabe ein. Auch fehlen die Gehälter der staatlichen Angestellten, deren Stellen gestrichen werden müssen. Beiden Konzernen sind die Kunden verloren gegangen. Aber ohne diese kann kein Gewinn erwirtschaftet werden.
Dass es so lange gut ging verdankt der Kapitalismus ausgerechnet seinen Gegenspielern. Gewerkschaften haben gute Löhne und Arbeitnehmerrechte erstritten. Staaten haben die Freiheiten des Kapitals beschnitten. Steuereinnahmen haben die Staaten als gute Kunden (Auftraggeber) erhalten.
Doch mit der Einführung des Neoliberalismus ist das vorbei. Der Kapitalismus ist dazu verdammt, an sich selbst zu Grunde zu gehen.
Rettung durch die Reichen?
Das Geld ist doch da. Es ist bei den Reichen. Doch wie soll ein Mensch mehrere tausend Euro täglich sinnvoll ausgeben?
Der Kauf von Investitionsgütern ist nur interessant, wenn man damit Produkte herstellen kann, für die es Kunden gibt. Denn der Sinn der Investition ist der Gewinn.
Da gibt man das Geld lieber gegen Zinsen an die Bank. Doch diese muss die Zinsen auch erst einnehmen, z.B. von den Häuslebauern in Amerika. Diese konnten mit den Krediten wieder als Kunden auftreten. Doch als sie zahlungsunfähig wurden, waren gleichzeitig mit den Baufirmen auch die Banken im Minus.
Oder man kauft gleich Immobilen oder Aktien mit der Hoffnung auf Wertsteigerung. Solange die anderen auch an die Wertsteigerung glauben, kann man sie mit Gewinn weiter verkaufen. Diese Wertsteigerung geht so lange bis mal einer in der Käuferkette der Letzte ist und sie nicht mehr verkaufen kann. Der Wert der Immobilie oder Aktie sinkt auf den realen Gegenwert. Wenn das Viele gleichzeitig trifft, nennet man das Finanzkrise.
In der Tat haben das Leben auf Pump und die Spekulation noch einige Zeit für Beschäftigung und vorgetäuschtes Wachstum gesorgt. Doch das ist mit der Krise vorbei.
Rettung durch den Staat?
Jetzt nimmt der Staat Schulden auf, um z.B. mittels Abwrackprämie die Nachfrage zu steigern und somit für Erhalt der Beschäftigung zu sorgen. Doch leider muss er dafür Zinsen zahlen. An wen gehen die wohl? So erhalten wieder diejenigen vom Staat das Meiste, die am wenigsten zu zahlen bereit sind. Wenn nicht gleichzeitig wieder mehr staatliche Regulierung der Wirtschaft und Kontrolle der Finanzmärkte eingeführt und Steuereinnahmen erhöht werden, geht das nicht lange.
Alle diese Rettungsversuche sind nur wie Lack auf einer verrosteten Karosse. Er blättert schnell wieder ab und die Rostlöcher werden größer.
Juni 2009 |